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Tickets reserviert. Wenn er verschwindet, würden sie wissen,
daß er entführt wurde, und sie würden nach Bescos kommen,
um ihn zu suchen.«
Chantal legte ihren Goldbarren auf den Boden und ging aus der
Schußlinie. Die anderen Frauen taten es ihr gleich.
»Ihr könnt jetzt schießen, wenn ihr wollt. Aber ich weiß, daß
dies nur eine Falle des Fremden ist, und weigere mich, etwas
mit diesem Verbrechen zu tun zu haben.«
»Nichts wissen Sie«, sagte der Besitzer der Ländereien.
»Wenn ich recht habe, dann wird der Bürgermeister sehr bald
schon hinter Schloß und Riegel sitzen, und die Leute werden
nach Bescos kommen, um herauszufinden, wem er diesen
Schatz gestohlen hat. Jemand wird es ihnen erklären müssen.
Ich werde es allerdings nicht sein.
Aber ich verspreche, den Mund zu halten. Ich werde nur sagen,
daß ich nicht weiß, was geschehen ist. Ansonsten ist der
Bürgermeister jemand, den wir kennen - anders als der
Fremde, der Bescos morgen verlassen wird. Vielleicht nimmt er
die Schuld ganz allein auf sich, sagt, daß er einen Mann
beraubt hat, der in Bescos aufgetaucht ist und eine Woche hier
verbracht hat. Er wird von uns allen als Held angesehen, das
Verbrechen wird nie aufgedeckt werden, und wir leben unser
Leben weiter - allerdings so oder so ohne das Gold.«
»Das werden wir gerade nicht tun«, sagte der Bürgermeister,
zuversichtlich, daß keiner auf diese Verrückte hören würde.
Dennoch hörte man kurz darauf, wie der erste Gewehrlauf
heruntergeklappt wurde.
»Habt Vertrauen in mich«, schrie der Bürgermeister.
Doch die Antwort war ein weiteres Klicken eines Gewehrlaufs,
der abgeknickt wurde, und dann noch eins und noch eins, bis
fast alle Gewehrläufe abgeknickt waren. Hatte man Politikern je
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vertrauen können? Nur die Gewehrläufe des Bürgermeisters
und des Priesters waren noch schußbereit; einer wies auf
Chantal Prym, der andere auf Berthe. Doch der Holzfäller, der
eben noch ausgerechnet hatte, wie viele Geschosse den Leib
der alten Frau durchbohren würden, entriß ihnen die Gewehre.
Chantal Prym hatte recht: Anderen glauben war immer riskant.
Plötzlich schienen das alle gemerkt zu haben, denn die Menge
begann sich zu zerstreuen.
Schweigend stiegen sie, die Ältesten voran, die Jüngeren
hinterher, den Hang hinunter und versuchten in ihre
Alltagssorgen zurückzufinden: das Wetter, die Schafe, die
geschoren, die Felder, die gepflügt werden mußten, die Jagd,
die bald beginnen würde. Nichts war passiert, denn Bescos war
ein gottverlassenes Nest, in dem ein Tag war wie der nächste.
Und jeder sagte sich, daß dieses Wochenende nur ein Traum
gewesen war.
Oder ein Alptraum.
Nur zwei Laternen und drei Personen blieben auf der Lichtung
zurück - und eine davon schlief an einen Stein gebunden.
»Hier ist das Gold für Ihr Dorf«, sagte der Fremde zu Chantal.
»Jetzt habe ich weder das Gold noch eine Antwort.«
»Das Gold für mein Dorf? Nein, es gehört mir. Wie auch der
Goldbarren beim y-förmigen Fels. Und Sie werden es mit mir
zusammen zu Geld machen. Ich vertraue keinem Ihrer Worte.«
»Sie wissen, daß ich nicht tun würde, was Sie gesagt haben.
Und Ihre Verachtung mir gegenüber gilt in Wirklichkeit Ihnen
selbst. Sie sollten dankbar für alles sein, was geschehen ist. Als
ich Ihnen das Gold gezeigt habe, gab ich Ihnen viel mehr als
nur die Möglichkeit, reich zu werden. Ich habe Sie gezwungen,
zu handeln und sich nicht mehr andauernd über alles zu
beschweren. Ich habe Sie gezwungen, Stellung zu beziehen.«
»Sehr großzügig von Ihnen«, gab Chantal ironisch zurück und
fuhr dann fort. »Vom ersten Augenblick an hätte ich etwas zur
menschlichen Natur sagen können. Bescos mag ein sterbender
Ort sein, aber er hatte eine ruhmreiche Vergangenheit voller
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Weisheit. Ich hätte Ihnen die Antwort geben können, die Sie
suchten, wenn sie mir nur eingefallen wäre.«
Chantal ging zu Berthe, um sie loszubinden, und sah, daß sie
sich die Stirn aufgeschürft hatte. Es war nicht weiter schlimm
und rührte womöglich nur von der Stellung her, in der man ihren
Kopf auf den Stein gelegt hatte. Das Problem war jetzt, daß sie
bis zum Morgen hier warten mußten, bis sie aufwachte.
»Können Sie mir die Antwort jetzt geben?« fragte der Mann.
»Jemand wird Ihnen schon vom Zusammentreffen des heiligen
Savinus und Ahab erzählt haben.«
»Natürlich. Der Heilige ist gekommen, hat ein wenig mit ihm
gesprochen, und am Ende wurde der Araber bekehrt, weil er
sah, daß der Mut des Heiligen größer war als sein eigener.«
»Genau. Allerdings hat Ahab schon von Anfang an und die
ganze Zeit, in der sie miteinander redeten, seinen Dolch
gewetzt, was Savinus nicht daran hinderte, selig einzuschlafen.
Ahab, der davon ausging, daß alle Welt wie er dachte, wollte
Savinus provozieren und fragte ihn:
>Wenn jetzt die schönste Hure der Stadt hier hereinkäme,
würde Sie es dann über sich bringen zu denken, sie sei weder
schön noch verführerisch?
>Nein. Aber es würde mir gelingen, mich zu beherrschen
antwortete der Heilige.
>Und wenn ich Ihnen viele Goldstücke anbieten würde, damit
Sie den Berg verlassen und sich uns anschließen, würden sie
es über sich bringen, dieses Gold anzuschauen, als wären es
Steine?
>Nein. Aber es würde mir gelingen, mich zu beherrschen.
>Und wenn zwei Brüder Sie aufsuchen würden, von denen der
eine Sie verabscheut und der andere sieht, daß Sie ein Heiliger
sind, würden Sie es über sich bringen, sie beide gleich zu
behandeln?
>Auch wenn es mich hart ankäme und ich darunter leiden
müßte, würde es mir gelingen, mich zu beherrschen und beide
gleich zu behandeln.
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Chantal machte eine Pause und fuhr fort: »Es heißt, dieses
Gespräch hätte Ahab dazu bewogen, sich bekehren zu
lassen.«
Der Fremde brauchte Chantals Erklärung nicht mehr. Savinus
und Ahab hatten die gleichen Triebe - das Gute und das Böse
kämpften um sie wie um alle Seelen auf der Erde. Als Ahab
begriff, daß Savinus wie er war, begriff er zugleich, daß er war
wie Savinus.
Es war alles nur eine Frage der Selbstkontrolle. Und eine
Frage, wie man sich entschied.
Nichts weiter.
Chantal blickte ein letztes Mal auf das Tal, die Berge, die
Wälder, durch die sie als Kind immer gewandert war, sie
schmeckte in Gedanken das kristallklare Wasser, das frisch
geerntete Gemüse, den selbstgekelterten Wein aus den besten
Trauben der Gegend, der von den Bewohnern des Ortes
eifersüchtig gehütet wurde - er war weder für die Touristen
noch für den Export gedacht.
Sie war nur zurückgekommen, um sich von Berthe zu
verabschieden. Sie trug die gleiche Kleidung wie immer, damit
niemand herausfand, daß sie durch ihren kurzen Abstecher in
die Stadt zu einer reichen Frau geworden war. Der Fremde
hatte sich um alles gekümmert, die Papiere für die
Überschreibung des Goldes unterzeichnet, dafür gesorgt, daß
es verkauft und der Erlös auf das neueröffnete Konto von
Chantal Prym überwiesen wurde. Der Kassierer der Bank stellte
nur die für diese Art Transaktion unbedingt notwendigen
Fragen, doch die Blicke, die er Chantal immer wieder zuwarf,
sprachen Bände. Die junge Person war sicher die Geliebte des
älteren Herrn, las sie in seinen Augen. Und Chantal genoß es,
daß der Kassierer ihr offensichtlich zutraute, daß sie dem
Fremden mit ihren Reizen soviel Geld abluchsen konnte.
Auf dem Weg war sie verschiedenen Bewohnern des Dorfes
begegnet. Keiner wußte, daß sie fortgehen würde, und alle
begrüßten sie, als wäre nichts geschehen, als hätte der Dämon
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den Ort nie heimgesucht. Sie erwiderte den Gruß und tat
ebenfalls so, als wäre dieser Tag ein Tag wie jeder andere.
Sie wußte noch nicht, inwieweit sie sich durch all das verändert
hatte, was sie über sich selbst herausgefunden hatte. Aber das
hatte Zeit. Berthe saß vor ihrem Haus. Nun nicht mehr, um auf
das Böse aufzupassen, sondern, weil sie nichts anderes zu tun
hatte.
»Sie werden mir zu Ehren einen Brunnen bauen«, sagte sie.
»Als Preis für mein Schweigen. Auch wenn ich weiß, daß er
nicht lange halten und auch nur wenigen Menschen den Durst
stillen wird, da Bescos so oder so zum Sterben verurteilt ist:
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